

Vorträge

Vorträge am Samstag, 4. Mai 2019
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09:35 UhrChristian Schmahl
Wie Neurobiologie und Psychotherapie voneinander lernenAbstract
Bei Trauma-assoziierten Störungen wie der komplexen PTBS und der Borderline-Störung lassen sich mehrere Symptombereiche charakterisieren, deren zugrundeliegende Mechanismen einer neurobiologischen Charakterisierung zugänglich sind. Hierzu zählen u.a. die Emotionale Dysregulation, Dissoziation und nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten sowie Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion. Die neurobiologische Forschung, insbesondere die funktionelle Bildgebung, hat hier wesentlich zur Aufklärung dieser Pathomechanismen und zur Weiterentwicklung spezifischer, auf dem besseren Verständnis dieser Mechanismen basierender Interventionen beigetragen. Außerdem lassen sich neurobiologische Untersuchungsmethoden wie die funktionelle Bildgebung einsetzen, um Therapieergebnisse auf einer zusätzlichen Ebene zu überprüfen. Dabei zeigten sich z.B. nach erfolgreicher DBT-Behandlung einerseits ein Rückgang von auffälligen Aktivierungsmustern, z.B. im Bereich der Amygdala, andererseits auch eine Veränderung im Volumen bestimmter, mit der Emotionsregulation assoziierter Hirnregionen. Andererseits können moderne Verfahren wie die Echtzeit-fMRT eingesetzt werden um mittels Neurofeedback z.B. die Emotionsregulation zu trainieren. Dabei zeigen erste Studien sowohl bei der Borderline-Störung als auch bei der PTBS nicht nur eine Abnahme der Amygdala-Hyperaktivität, sondern auch einen Transfer in verbesserte Emotionsregulation im Alltag der Betroffenen.
Dozent
Christian Schmahl
Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim und Professor für Experimentelle Psychopathologie. Außerdem ist er Sprecher der Klinischen Forschergruppe 256 „Mechanismen der gestörten Emotionsregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung“ sowie des Graduiertenkollegs 2350 „Einfluss aversiver Kindheitserfahrungen auf psychosoziale und somatische Probleme über die Lebensspanne“. Seine Forschung fokussiert auf die Aufklärung von Mechanismen der Emotionsregulation, des selbstverletzenden Verhaltens und der Dissoziation sowie die Interaktion von Neurobiologie und Psychotherapie bei Stress-assoziierten Erkrankungen. Er studierte Medizin in Mainz und Gießen und absolvierte die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik Freiburg und die Ausbildung zum Facharzt für Psychotherapeutische Medizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Seine wissenschaftlichen Publikationen umfassen mehr als 200 Zeitschriftenartikel und Buchkapitel sowie zwei Bücher.
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10:25 UhrArne Bürger
Erste Schritte und neue Wege in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit EssstörungenAbstract
Essstörungen gehören zu den schwersten kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Sie sind mit chronischen Verläufen sowie schweren somatische Begleiterscheinungen verbunden und enden in einigen Fällen tödlich. In vielen Kliniken gibt es Erfahrungen, dass diese Patientengruppe nicht von verhaltenstherapeutischen Stufenplänen profitiert und scheinbar eine Eigenmotivation für den Heilungsprozess fehlt. Häufig wird aus den Augen verloren, dass das veränderte Essverhalten und die Ablehnung des eigenen Körpers einer dysfunktionalen Regulation der Emotionen zu Grunde liegt.
Ziel ist es, einen Einblick über die Intervention von Essstörungen im Kindes- und Jugendalter zu geben. Dabei wird der Schwerpunkt sowohl auf die flexiblere Haltung der Behanderlinnen/Behandler gelegt als auch auf die Notwendigkeit der Arbeit an den Emotionen verwiesen.
Inhalte/Methode: Der Vortrag wird gemeinsam mit einem ehemaligen Patienten erfolgen. Dadurch soll ein dialektischer Einblick auf die Behandlung ermöglicht werden.
Dozent
Arne Bürger
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, VT-Supervisor, DBT-A Therapeut, DBT-A-Trainer, DBT-A Supervisor, leitender Psychologe der Institutsambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg, Forschungsschwerpunkte: Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung in der Adoleszenz, Prävention
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11:15 UhrAstrid Müller
Verhaltenssüchte: Können exzessive, belohnende Tätigkeiten zur Droge werden?Abstract
Menschen können nicht nur von Substanzen, sondern auch von belohnenden Verhaltensweisen abhängig werden und eine Verhaltenssucht entwickeln. In den letzten Jahren hat das klinische und wissenschaftliche Interesse an dem Verhaltenssuchtkonzept deutlich zugenommen. Entsprechend wurde 2013 pathologisches Glücksspielen als Störung ohne Substanzbezug in die Kategorie „Störungen in Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen“ der 5. Auflage des Diagnostischen und Statistischen Manuals für Psychische Störungen (DSM-5) aufgenommen. Außerdem wird seither die Internet Gaming Disorder als Störung mit weiterem Forschungsbedarf im Anhang des DSM-5 gelistet. Der Beitrag wird einen Überblick geben über die derzeit anerkannten Formen von Verhaltenssucht. Daneben soll unter Berücksichtigung der unlängst von der WHO vorgestellten vorläufigen Version der ICD-11 die verfügbare Evidenz für die Anerkennung weiterer Verhaltenssuchtkandidaten (z. B. Kaufsucht) diskutiert werden.
Dozentin
Astrid Müller
Astrid Müller ist psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) und arbeitet an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover, wo sie die Arbeitsgruppe „Substanzungebundene Abhängigkeitserkrankungen“ leitet. Ihre klinischen und Forschungsschwerpunkte sind Verhaltenssüchte und Adipositas. Sie hat sowohl medizinische Biochemie als auch Psychologie studiert, hat in beiden Fächern promoviert und zum Thema „Psychotherapieforschung“ habilitiert.
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12:05 UhrChristian Stiglmayr
Emotionsarbeit in der PsychotherapieAbstract
Viele Patienten kommen mit Problemen mit der eigenen Emotionsregulation in die Psychotherapie. Neben einer unterschiedlichen individuellen Affektsensitivität steht zumeist die Angst vor den eigenen Emotionen, das damit einhergehende Vermeidungsverhalten sowie die Auswirkungen desselben im Zentrum der Behandlung. Der funktionale Umgang mit den eigenen Emotionen ist jedoch entscheidend für die psychische Gesundheit, Zufriedenheit und die Entwicklung einer stabilen Identität.
Der Vortrag beschreibt die Hintergründe und die Auswirkungen einer gestörten Emotionsregulation auf. Ausführlich wird auf das therapeutische Vorgehen eingegangen.
Dozent
Christian Stiglmayr
Studium der Psychologie an der Universität Eichstätt und Freiburg. Stationspsychologe der Borderline-Station an der Universitätsklinik Freiburg, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie. Ausbildung in DBT bei Prof. Marsha Linehan, Seattle/USA. Promotion über Spannungszustände und dissoziative Zustände. Habilitation an der HU zu Berlin. Seit 2002 niedergelassen als Psychologischer Psychotherapeut in Berlin. Privatdozent an der Humboldt-Universität zu Berlin. Gründer und Leiter der AWP-Berlin. Supervisor und Lehrtherapeut für VT (IFT) und DBT (DDBT). Leiter des Borderline-Netzwerkes Berlin.
Vorträge am Sonntag, 5. Mai 2019
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09:00 UhrSvenja Taubner
Die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) zur Behandlung von Personen mit einer Borderline-PersönlichkeitsstörungAbstract
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung kann als Ausdruck einer Mentalisierungs- und Kommunikationsstörung verstanden werden. Dementsprechend fokussiert die Mentalisierungs-Basierte Therapie auf eine Stärkung und Aufrechterhaltung von verstehenden und kommunikativen Fähigkeiten in bedeutsamen Beziehungen. Der Therapeut stellt sich als aktiver Beziehungspartner zur Verfügung, damit neues soziales Vertrauen entsteht, Mentalisierung gefördert wird und auch in den außertherapeutischen Beziehungen soziales Lernen befördert. Damit arbeitet die MBT weniger an den Inhalten von verinnerlichten Beziehungserfahrungen, sondern an den Denk-, Reflektions- und Erlebensprozessen. Im Vortrag wird die klinische Theorie sowie die Veränderungstheorie fokussiert. Zentrale Techniken werden anhand kurzer Videobeispiele illustriert. Ein mentalisierungsbasiertes Programm zur Verbesserung elterlicher Kompetenzen wird vorgestellt, das aktuell in Heidelberg und Berlin evaluiert wird.
Dozentin
Svenja Taubner
Dipl. Psych., Professorin für Psychosoziale Prävention und Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention an der Universität Heidelberg, psychologische Psychotherapeutin mit der Fachkunde Analytische Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Supervisorin und Ausbilderin für Mentalisierungsbasierte Therapie mit Adoleszenten. Arbeitsschwerpunkte: Mentalisierung, Bindung, Adoleszenz, Störungen des Sozialverhaltens, Persönlichkeitsstörungen, Kompetenzentwicklung in der Psychotherapieausbildung. Seit Juni 2018 leitet sie das europäische Chapter der Society for Psychotherapy Research.
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09:50 UhrSigrun Schmidt-Traub
Kognitive Verhaltenstherapie bei Ängsten im Kindes- und JugendalterAbstract
Aus aktueller Perspektive werden die Entstehung und Entwicklung von Angststörungen unter Bezug auf das DSM-5 ausführlich erläutert. Daraus ergeben sich notwendige Konsequenzen für das therapeutische Vorgehen. Ängste sind Stressreaktionen und werden durch Erfahrung und Lebensführung beeinflusst. Da sie in der Person angelegt sind, lassen sie sich nicht ein für alle Male ‚heilen‘. Kinder und Jugendliche (und ihre Angehörigen) können lernen, Ängste selbständig zu regulieren, Hemmungen zu überwinden, Vermeidungsverhalten gänzlich abzubauen und die für sie typischen sozial-emotionalen Fähigkeiten stärker einzusetzen. Das macht sie wesentlich selbstwirksamer und fördert ihre Lebensqualität.
Literatur
- S. Schmidt-Traub (2017). Kognitive Verhaltenstherapie bei Ängsten im Kindes- und Jugendalter. Göttingen: Hogrefe.
Dozentin
Sigrun Schmidt-Traub
Verhaltenstherapeutin für PP und KJP; 31 Jahre in psychologischer Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Essen tätig. Zusätzliche Ausbildung in Gesprächs- und Hypnotherapie nach Milton Erikson. Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten. Supervisorin und Dozentin an Ausbildungsinstituten für Verhaltenstherapie. Autorin von Lehrbüchern für Therapeuten und Selbsthilfebüchern für Patienten. Spezialgebiet: Angststörungen.
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10:40 UhrChristine Brähler
Selbstmitgefühl in der PsychotherapieAbstract
Selbstmitgefühl ist die Fertigkeit sich in Momenten von Belastung selbst zu validieren, zu unterstützen und umsorgen zu können, um nachhaltig weise mit der Belastung umgehen zu können. Selbstmitgefühl ist ein zentraler Wirkmechanismus in der Psychotherapie. Forschungsbefunde zeigen deutlich, dass Selbstmitgefühl mit weniger Angst, Depression, Stress und psychischem Wohlbefinden einhergeht. Selbstmitgefühl ist besonders wirksam bei Schamgefühlen und schützt Psychotherapeuten vor Mitgefühlsmüdigkeit und Burnout. Selbstmitgefühl entwickelt sich aus der achtsamkeits-basierten Psychotherapie, wobei es sich auf die radikale Akzeptanz des belastetes “Selbst” als Vorraussetzung zur Veränderung fokusiert.
Diese Fertigkeit kann in die Psychotherapie auf drei Ebenen integriert werden: (1) wie Therapeuten mit sich selbst umgehen (mitfühlende Präsenz), (2) wie Therapeuten mit ihren Patienten umgehen (mitfühlende Beziehung), und (3) wie Patienten mit sich selbst umgehen (direkte Interventionen). Jede Ebene umfaßt bestimmte Fertigkeiten, die Therapeuten erlernen können und die in jede Art von achtsamkeitsbasierter Psychotherapie integriert werden können.
Ziele
In diesem Vortrag wird:
- Das theoretische Modell von Selbstmitgefühl und Mitgefühl vorgestellt
- Klinisch-relevante Forschungsbefunde präsentiert
- Die Prinzipen zur Integration in der Psychotherapie bei Scham erläutert
Methode
Vortrag mit Folien und Videos.
Literatur:
- Germer & Siegel (2013). Weisheit und Mitgefühl in der Psychotherapie. Arbor Verlag.
Dozentin
Christine Brähler
Psychologische Psychotherapeutin, Dozentin und Supervisorin in privater Praxis in München. Master-und Doktorabschlüße hat sie an der University of Edinburgh, UK, erlangt. Sie ist MSC-Ausbilderin und unterrichtet international MSC-Intensivkurse, MSC-Lehrerweiterbildungen und Seminare über Selbstmitgefühl in der Psychotherapie. Neben Ihrer Vorstandstätigkeit im Center for MSC, arbeitet sie als International Coordinator und als Senior Advisor für den Executive Director des Center for MSC. Sie hat mehrere akademische und populäre Veröffentlichungen u.a. die erste randomisierte kontrollierte Studie über Compassion Focused Therapy.
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11:30 UhrMaggie Schauer
Die Narrative Expositionstherapie (NET)Abstract
Die Narrative Expositionstherapie (NET) für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist ein effizientes Kernelement der psychotherapeutischen Behandlung von Personen, die unter den Folgen von Mehrfachtraumatisierung leiden. Sie ermöglicht eine Bedeutungszuschreibung und Integration der Lebenserfahrungen in den biographischen Zusammenhang, aktiviert die Ressourcen der Person und erlaubt korrigierende Beziehungserfahrungen im wertschätzenden und empathischen Kontakt. Es kommt auf diesem Wege zur Würdigung der Person und der Geschichte der Überlebenden. Der NET-Ansatz unterstützt Menschen- und Kinderrechtsarbeit.
NET Manual:
- M. Schauer, F. Neuner, T. Elbert (2005/2011) Narrative Exposure Therapy (NET). A Short-Term Intervention for Traumatic Stress Disorders. Cambridge/Göttingen: Hogrefe & Huber
- Schauer, M. (2015) Narrative Exposure Therapy. In: J. Wright, International Encyclopedia of Social & Behavioral Sciences, 2nd Edition, 198–203.
- Schauer, M. & Ruf-Leuschner, M. (2014). Die Lifeline in der Narrativen Expositionstherapie (NET), Psychotherapeut, 59, 226–238. DOI 10.1007/s00278-014-1041-9
- Schauer, M., Neuner, F., Elbert, T. (2017). Narrative Exposure Therapy for Children and Adolescents (KIDNET). In: M. Landolt, M. Cloitre, U. Schnyder Evidence-Based Treatments for Trauma Related Disorders in Children and Adolescents, pp.227-250, Springer Publishers DOI: 10.1007/978-3-319-46138-0_11
Dozentin
Maggie Schauer
klinische Psychologin, spezialisiert im Bereich von Traumafolgestörungen. Sie leitet das Kompetenzzentrum Psycho-traumatologie an der Universität Konstanz. Sie arbeitet mit Überlebenden körperlicher und sexueller Traumatisierung in der Familie oder durch organisierte Gruppen, im Kindes- und Erwachsenenalter. Zusammen mit Frank Neuner und Thomas Elbert hat sie die Narrative Expositionstherapie (NET) begründet. Schauer koordiniert Therapie- und Hilfsprojekte in Kriegs- und Krisengebieten, in Gemeinden und Flüchtlingslagern, nach humanitären und Naturkatastrophen, in Demobilisierungsprojekten für Kindersoldaten und mit Überlebenden von Folter und Menschenrechtsverletzungen in den Herkunftsländern und in Deutschland mit Flüchtlingen und Asylbewerbern. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied von vivo international (www.vivo.org), einer NGO zur Prävention und Behandlung von traumatischem Stress und im Gründungsvorstand und Beirat des Babyforums, eines Netzwerks von Fachkräften für Frühe Hilfen, zur Betreuung von Schwangeren und zur Vorsorge bei Kindeswohlgefährdung.